Versandhaus vorläufig gerettet Notkredit für Quelle beschlossen

Stand: 30.06.2009 00:30 Uhr

Nach tagelangem Tauziehen ist der von Quelle dringend benötigte Massekredit in Höhe von 50 Millionen Euro vereinbart worden. Der Bürgschaftsausschauss beschloss in Berlin, die Auszahlung heute anzuweisen. Die Zustimmung der EU-Kommission steht aber noch aus.

Eine hochrangige Runde aus Vertretern der Bundesregierung sowie der Bundesländer Bayern und Sachsens in Berlin hat den dringend benötigten Massekredit in Höhe von 50 Millionen Euro für das Versandhaus Quelle vereinbart. Den Kredit sollen sich je zur Hälfte der Bund und die Länder Bayern und Sachsen teilen. Der Kredit soll bis zum 31. Dezember 2009 laufen.

Die Regierungen von Bayern und Sachen wollen nach entsprechenden Kabinettsbeschlüssen heute die Auszahlung anweisen, sagte der bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon nach den Beratungen in Berlin. Der Bund werde die Staatsbank KfW beauftragen. Entsprechend äußerte sich auch Sachsens Wirtschaftsminister Thomas Jurk. Mit Hilfe des staatlichen Kredits soll die Fortführung des Unternehmens für zunächst sechs Monate gesichert werden.

Insolvenzverwalter nur verhalten optimistisch

Fahrenschon bezeichnete die Entscheidung als das langersehnte positive Signal für Quelle. Bundeswirtschaftsminister Karl Theodor zu Guttenberg warrnte dagegen schon von einer Rettung zu sprechen. Auch der vorläufige Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg gab sich verhalten optimistisch: "Ich hoffe sehr, dass wir jetzt eine Basis haben, auf der wir beginnen können, die Gesellschaft zu reorganisieren", sagte Görg. Dies sei aber kein "Selbstgänger". Er hoffe jedoch auf einen "guten Ausgang".

Quelle-Geschäftsführer Konrad Hilbers sagte, man werde alles tun, um die jetzt eröffnete Chance zu nutzen. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Ernst Sindel sprach nach der Entscheidung von "riesiger Erleichterung". Der Kredit versetze Quelle in die Lage, den Geschäftsbetrieb wieder aufzunehmen. "Das gibt wahnsinnige Motivation", sagte Sindel gegenüber der Nachrichtenagentur "dpa".

Zustimmung der EU-Kommission steht noch aus

Die Zustimmung der EU-Kommission zur Quelle-Finanzhilfe steht noch aus. Man gehe aber davon aus, dass sie dem Kredit heute zustimmt, sagte Fahrenschon. Kanzlerin Angela Merkel hatte die tagelange Prüfung des Kredits am Sonntag mit den strengen Vorgaben der Europäischen Union für staatliche Hilfen verteidigt. Quelle wäre nicht geholfen, wenn das Wirtschafts- und das Finanzministerium vorschnell dem Massekredit zugestimmt hätten und dann die EU-Kommission das Vorhaben abgelehnt hätte, betonte die Kanzlerin.

Stichwort

Mit einem Massekredit kann der Geschäftsbetrieb eines insolventen Unternehmens aufrecht erhalten werden. Der Begriff Masse bezieht sich auf die Insolvenzmasse. Der Geber eines Massekredits steht in der Liste der Gläubiger an der Spitze. Das bedeutet, dass seine Forderungen vorrangig bedient werden - der Geber hat als erster Zugriff auf die Insolvenzmasse, damit seine Forderungen mit der höchstmöglichen Garantie abgesichert sind.

Quelle-Chef sieht "sanierungsfähigen Kern"

Quelle-Chef Konrad Hilbers hatte vor dem Krisentreffen in Berlin erneut um staatliche Hilfen geworben. Das Traditionsunternehmen mit rund 8000 Mitarbeitern habe einen "sanierungsfähigen Kern", sagte er im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. Daher sei es richtig, den Konzern mit staatlicher Unterstützung zu retten. Schließlich hätte Quelle "schon vor der Insolvenz in Berlin Hilfestellung angefragt". Hilbers versicherte, dass bereits in den kommenden Wochen ein Sanierungsplan vorlegt werden könne. Quelle habe dafür genügend Potenzial und sei in Deutschland die Nummer drei im E-Commerce.

Konrad Hilbers und Horst Seehofer mit Quelle-Katalog

Quelle-Chef Hilbers (li.), hier mit Bayerns Ministerpräsident Seehofer, sieht noch genügend Potenzial in seinem Unternehmen.

Insolvenz mit leeren Taschen

Erst am Wochenende war bekannt geworden, dass die wirtschaftliche Situation des Versandhändlers schlechter ist als bisher angenommen. Arcandor bestätigte einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung", das Quelle ohne liquide Mittel in die Insolvenz gegangen ist. Wenige Stunden vor der Insolvenz am 9. Juni seien alle Quelle-Konten leer geräumt worden. Seitdem ist das Unternehmen wegen des Geldmangels auf die Großzügigkeit der Lieferanten angewiesen, die mit ihren Waren und Dienstleistungen in Vorleistung treten müssten.

Stichwort

Der Quelle-Katalog erscheint zweimal im Jahr mit einer Auflage von neun Millionen Exemplaren. Auf rund 1400 Seiten bietet er etwa 78.000 Artikel aus den Bereichen Mode, Technik, Wohnen und Küche. Mit Extra- und Spezialkatalogen kommen die Quelle-Kataloge allein in Deutschland auf eine jährliche Gesamtauflage von 560 Millionen Stück. Mit dem gedruckten Katalog erzielt das Versandhaus rund 40 bis 50 Prozent seines Umsatzes. Der Katalog habe aber auch eine starke Anreizwirkung für den Internethandel.

Quelles Anfänge waren deutlich bescheidener: In den Anfangsjahren des 1927 in Fürth gegründeten Unternehmens bot Gustav Schickedanz seine Ware in Preislisten an, zunächst in einer Auflage von rund 30.000 Stück. Der erste richtige Katalog wurde 1954 für die Frühjahrs- und Sommerkollektion erstellt und präsentierte auf 72 Seiten mehr als 1200 Produkte.