DoS-Attacken und Datenklau Hacker legen immer mehr Nazi-Seiten lahm

Stand: 26.08.2007 03:55 Uhr

Hacker haben in den vergangenen Monaten zahlreiche Web-Seiten von Neonazis lahm gelegt oder verändert. Aus einem Online-Shop klauten Angreifer sogar hunderte Kundendaten und veröffentlichten diese. Andere Hacker leiteten brisante Daten aus einem nicht-öffentlichen Neonazi-Forum an die Staatsanwaltschaft weiter.

Von Patrick Gensing, tagesschau.de

Kurz vor der geplanten Demonstration erwischte es die Internet-Seite der „Freien Kameradschaft Dessau“. Die Neonazis hatten auf ihrer Web-Site zur Teilnahme an der Gedenkveranstaltung zum 60. Jahrestag der Bombardierung der Stadt aufgerufen. Hacker kaperten die Seite und verpassten ihr ein neues Design. Im Szene-Jargon wird dies „Defacement“ genannt. Von da an wurde auf der zuvor rechtsextremistischen Seite für die linke Gegendemonstration in Dessau geworben.

Einige Tage vor dem Aufmarsch von mehr als 5000 Neonazis in Dresden am 13. Februar hatten Hacker gleich mehrere Seiten angegriffen, um so die interne Mobilisierung der Neonazis zu stören. Dabei stießen sie offenbar auf brisante interne Informationen.

„Habt Ihr eigentlich ein Backup? Wir schon!“

In einem nicht-öffentlichen Forum des „Heimatschutznetzwerkes“ (HSN) fanden die Eindringlinge Einträge, die auf eine logistische Unterstützung der verbotenen Organisation „Skinheads Sächsische Schweiz“ (SSS) durch sächsische NPD-Landtagsabgeordnete hindeuten.

Die Hacker veröffentlichten einen Brief an die Macher der HSN-Seite. „Habt Ihr eigentlich eine Kopie Eurer Daten gemacht? Wir haben vorsorglich ein Backup erstellt und das wird schon irgendwo auftauchen, versprochen!“, heißt es darin.

Staatsanwaltschaft auf Spur der NPD geführt

Der Staatsanwaltschaft in Dresden lagen die Daten einige Tage nach der Attacke vor. Sie veranlasste eine Hausdurchsuchung bei einem Neo-Nazi, der möglicherweise den Eintrag in dem Forum geschrieben haben könnte. Auch wurden Ermittlungen gegen einen sächsischen Landtagsabgeordneten der NPD eingeleitet.

Wer der mutmaßliche Kontaktmann in der Fraktion zur SSS sein könnte, ließ die Staatsanwaltschaft offen. Doch soll es sich um einen Politiker aus der Region handeln. Dies trifft nur auf zwei Abgeordnete zu. Gegen einen hatte die Staatsanwaltschaft bereits in der Vergangenheit wegen möglicher Unterstützung der SSS ermittelt.

Dass die SSS weiter aktiv ist, scheint sicher. So hat das Landgericht Dresden ein Verfahren gegen einen Neo-Nazi eröffnet, der der verbotenen Organisation weiter angehören soll. 24 weitere Rechtsextremisten müssten nach Hausdurchsuchungen und anderen Hinweisen mit ähnlichen Verfahren rechnen, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden.

Datenklau bei rechtsextremistischen Versand

Bereits Anfang des Jahres wurde der Online-Shop „Asgard-Versand“ gehackt. Dieser verkauft T-Shirts, Fahnen, Aufnäher und andere Artikel mit rechtsextremistischen Aufdrucken sowie Platten und CDs rechtsextremer Musiker. Die Eindringlinge legten den Shop für einige Tage lahm und kopierten alle Kundendaten. Mehrere hundert Namen mit Anschrift, Telefonnummer und Email-Adresse stehen seitdem über gängige Internet-Tauschbörsen wie „Emule“ zum Herunterladen bereit.

Herkunftsland: „Deutsches Reich“

Die Adressliste umfasst Kunden aus ganz Europa, wobei viele deutsche Kunden den Namen ihres Heimatlandes mit „Deutsches Reich“ angeben. Auch die Email-Adressen lassen auf die politische Einstellung schließen. So fügten viele Kunden ihrem Namen eine „18“ oder „88“ hinzu. Diese Zahlen stehen bei Neonazis für die Buchstaben „A“ (erster Buchstabe des Alphabets) und „H“ (achter Buchstabe) und sind ein Code für „Adolf Hitler“ beziehungsweise „Heil Hitler!“.

Aufregung in der Neonazi-Szene

Die Hacker gaben die gestohlenen Daten aus dem Asgard-Versand offenbar auch an den Verfassungsschutz weiter, was in der rechtsextremistischen Szene zunächst für große Aufregung sorgte. Mehrere Neonazis wurden nach eigenen Angaben von der Polizei kontaktiert. Die Beamten wollten den Asgard-Kunden allerdings nichts Böses, sondern forderten diese auf, in der kommenden Zeit auf ungewöhnliche Vorfälle zu achten und diese bitte an die Polizei zu melden.