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Europawahl 2024

EU-Abgeordnete stimmen über das EU-KI-Gesetz ab.
Europawahl

EU und Künstliche Intelligenz Raum für Innovation - oder Schutz vor Missbrauch?

Stand: 18.05.2024 09:26 Uhr

Die EU ist Vorreiter bei Verbraucher- und Datenschutz. Gleichzeitig will sie bei der Entwicklung von Zukunftstechnologien nicht abgehängt werden. Die Regulierung Künstlicher Intelligenz zeigt ein typisch europäisches Dilemma.

Künstliche Intelligenz wird mittlerweile überall eingesetzt: für Texte, Bilder und Videos im Netz; bei der Überwachung im öffentlichen Raum; im Krankenhaus, im Kundendienst, bei der Auswertung von Klima-, Geo- und Finanzdaten.

Europa ist der erste Kontinent, der dafür nun Regeln aufgestellt hat. Es ist echte Pionierarbeit. Als das EU-Parlament im Frühjahr grünes Licht für das Gesetz über Künstliche Intelligenz (KI) gab, war man berauscht von sich selbst: "Europa hat geliefert! Kein Wenn, kein Aber, kein Zögern - das sind die KI-Regeln", so der Rumäne Dragos Tudorache, einer der Verhandlungsführer.

Dabei mussten Antworten auf Fragen gefunden werden, die konkret noch gar nicht bekannt sind - und dennoch auf Hunderten kleingedruckter Seiten angegangen werden. Insgesamt sei es ein gutes Gesetz, das auf die Herausforderungen der Zeit reagiere und die drängendsten Fragen beantworte, sagt Sergey Lagodinsky von den Grünen, der auch an den Verhandlungen beteiligt war.

Überwachung im öffentlichen Raum?

Eine dieser drängenden Fragen lautet, inwieweit Künstliche Intelligenz zur Überwachung im öffentlichen Raum eingesetzt werden darf. Viele EU-Staaten haben sich weitgehende Optionen gewünscht - und diese auch bekommen. Echtzeit-Überwachung, Gesichtserkennung ist in Grenzen erlaubt, wenn konkrete Personen bei schweren Straftaten oder akuter Terrorgefahr gesucht werden.

Das geht aus Sicht der Verhandlerin der FDP im Europaparlament, Svenja Hahn, zu weit und muss genau beobachtet werden: "Für unsere demokratische und wirtschaftliche Zukunft gilt es weiter daran zu arbeiten, dass Regierungen Künstliche Intelligenz nicht für Überwachung missbrauchen. Und genauso, dass KI-Fortschritt und Innovationen ein Zuhause in Europa haben."

Das ist das zweite Kernelement des KI-Gesetzes: Europa soll endlich mehr von den Chancen der Künstlichen Intelligenz profitieren, sei es für Lösungen gegen Fachkräftemangel oder den Klimawandel oder bei der Digitalisierung. Entsprechende Entwicklungen und Zukunftstechnologien sollen gefördert werden.

Es ist ein schwieriger Spagat. Ob er gelungen ist - die Einschätzung fällt je nach Parteibuch unterschiedlich aus.

"Mehr europäisch denken"

Einig aber ist man sich in einem: Mehr als jeder andere EU-Gesetzestext wird dieser auch in Zukunft stetig angepasst und ausgebaut werden müssen.

Der CDU-Europa-Abgeordnete Axel Voss formuliert es so: "Wir sollten nicht glauben, dass unsere Arbeit jetzt mit diesem Gesetz endet. Wir müssen anders als bei anderen Gesetzen schneller Antworten und Anpassungen an Probleme und Entwicklungen finden."

Denn die EU wird sich auch an der Frage messen lassen müssen, ob bahnbrechende Technologien und Produkte wie ChatGPT auch in Europa entwickelt werden können. Entscheidend dafür sei jetzt Tempo, meint Franziska Teubert, Geschäftsführerin des deutschen Start-up-Verbands: "Um mit den USA und China mithalten zu können, brauchen wir europäische Tech-Champions." Dafür müsse weniger national und stärker europäisch gedacht und gehandelt werden.

Zumindest haben die europäischen Firmen und Start-ups nun Orientierung, wenn sie ihre eigenen Anwendungen auf großen KI-Basismodellen aufbauen wollen. Das KI-Gesetz schreibt für diese nämlich umso mehr Transparenz vor, je mehr Risiko sie bergen.

Versprechen von Infrastruktur

Zudem wird die EU, das verspricht Kommissionschefin Ursula von der Leyen, für Zugang zu Supercomputern sorgen, also zu den nötigen Datenkapazitäten, um KI-Systeme trainieren, entwickeln und testen zu können.

"Dies ähnelt dem, was Microsoft für ChatGPT tut, indem es auf seinen eigenen Supercomputern trainieren lässt", erklärt von der Leyen. "Wir werden auch gemeinsame europäische Datenräume in den Dienst von Start-ups stellen und riesige Datenmengen in allen EU-Sprachen zur Verfügung stellen. Denn KI soll auch für all jene da sein, die nicht Englisch sprechen."

So sollen sowohl Regulierung wie auch Förderung Künstlicher Intelligenz Gestalt annehmen - nach europäischen Vorstellungen.

Kathrin Schmid, ARD Brüssel, tagesschau, 16.05.2024 10:48 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 18. Mai 2024 um 07:48 Uhr.